Holocaust Gedenktag

„Das ist alles so lange her. Und jetzt wird es für uns zur Gegenwart“, sagt Ann-Kathrin Sigges. Mit ihren Mitschülern wartet sie auf Halina Birenbaum. Sie wird gleich, am Tag der Befreiung von Auschwitz, im Leibniz-Gymnasium von den Erlebnissen erzählen im Warschauer Ghetto und in vier Konzentrationslagern.

„Ich glaube, es wird sehr emotional“, erzählt Marieke Krater, was sie erwartet. Im Unterricht wurden alle Schüler auf die Begegnung mit der alten Dame, der Zeitzeugin und nicht zuletzt dem Holocaust vorbereitet. „Es war schon erschreckend, ihren Lebenslauf zu lesen“, sagt Laura Kleiszmanatis. „Mich hat am meisten bewegt, dass sie schon in der Gaskammer war. Aber durch einen Zufall war das Gas alle. Und sie überlebte.“ Schon jetzt fühlen die Mädchen mit Halina Birenbaum. „Fast ihre ganze Familie ist gestorben. Sie musste miterleben, wie die alle abgeschlachtet wurden“, sagt Laura Kleiszmanatis.

Seit 1939 konnte jede Stunde die letzte sein

Foto: Thomas Schmidtke

Dann trifft Halina Birenbaum ein. Sofort wird es still im Raum. Sie geht nach vorne, lächelt – und erntet spontanen Applaus. „Ich bin eine von vielen“, sagt sie. „Sie alle sollten umgebracht werden. Das war Hitlers Idee.“ Sie wuchs im Warschauer Ghetto auf, erzählt von der Kindheit. „Seit September 1939 und der Bombardierung Warschaus konnte für mich jede Stunde die letzte sein.“ Besonders erinnert die Zeitzeugin „die Angst in den Augen der Menschen“. Die Angst vor Verhaftung und Deportierung, mit dem Zug weggebracht zu werden. „Der Umschlagplatz war der Bahnhof zum Tod. Wir versteckten uns, wo wir konnten.“

Immer wieder lächelt Birenbaum. „Wir haben trotzdem gelebt. Immer wieder war die Hoffnung da – auf ein bisschen mehr Brot oder auf einen Sonnentag. Es war schlimmer als schlimm. Aber ich habe auch Liebe erlebt.“ Und Hoffnungsvolles: Bruder Marek konnte sich als einziger retten. Nach der Befreiung von Auschwitz ging Halina Birenbaum nach Krakau. „Im Mai 1945 habe ich ihn auf der Straße getroffen. Da kam er mir mit seinem Fahrrad entgegen. Er war schon verheiratet, studierte. Da fing mein Leben an.“

WAZ.de vom 28.07.2017

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